Marxismus, Psychoanalyse, Politik
»Endlich liegt zum vielzerredeten Thema Marxismus und Psychoanalyse dieses Buch aus der Feder eines praktizierenden Psychoanalytikers und politischen Aktivisten vor – eine Kombination, die es seit Wilhelm Reich nicht mehr gegeben hat –, der profunde Kenntnis seines Gegenstandes mit erfrischender Klarheit der Sprache, souveräner Verachtung aller Moden und unheilbarer Respektlosigkeit vor Autorität und Mehrheiten verbindet.«
Mit diesem Satz kündigten wir 1983 das Erscheinen dieses Buches an. An seiner Aktualität hat sich nichts geändert. Es ist nach wie vor in seiner Art einmalig.
Fritz Erik Hoevels diskutiert zunächst die Authentizitätsfrage, die logischen Möglichkeiten einer Zuordnung, die formalen Analogien und den historischen Ort von Marxismus und Psychoanalyse, bevor er im dritten Kapitel seine originelle Kernthese vom SEKUNDÄREN KRANKHEITSGEWINN als dem bislang noch nicht klar erkannten Scharnier zwischen den beiden Ketzerdisziplinen vorträgt. Die folgenden Kapitel ziehen daraus neuartige Konsequenzen für verschiedene Gebiete: für die Entfremdungstheorie, für die Parteilichkeitsfrage, für die Erklärung des Ablaufs der historischen Revolutionen und vieles andere. Auch die Grenzen Freuds und seiner Lehre, ihr Verfall und der des Marxismus, schließlich der (inkompetente) Streit ihrer beiden Schulen werden debattiert.
Zum Schluß zieht der Autor praktische Konsequenzen aus seinen theoretischen Erörterungen. Er versucht mit den Mitteln der Psychoanalyse eine Pathologie der aktuellen und etwas älteren Oppositionsbewegungen zu geben und schneidet die Frage an, in welcher Weise eine radikale revolutionäre Bewegung der Zukunft aus der Psychoanalyse ihren Nutzen ziehen kann.
Inhalt
- Vorwort
- Fragestellung und Begriff
- Die Gemeinsamkeiten von Psychoanalyse und Ökoanalyse
- Der sekundäre Krankheitsgewinn – das Scharnier zwischen Öko- und Psychoanalyse
- Die Parteilichkeit der Psychoanalyse
- Psychoanalyse und Entfremdung
- Die Psychoanalyse und das Programm der kommunistischen Partei
- Die Zerstörung der Psychoanalyse
- Die Zerstörung des Marxismus
- Der Streit der Marxisten und Freudianer untereinander
- Die Grenzen Freuds und die Grenzen der Psychoanalyse
- Psychoanalyse der Revolution
- Psychoanalyse und kommunistische Politik
- Nachbemerkung
Vorwort
Dieses Buch ist unzeitgemäß. Es beschwört Traditionen, die keine materiellen Träger mehr besitzen, handelt von Dingen, die keiner mehr hören will (und gegen die jeder geimpft ist), gibt Hinweise für eine politische Praxis, die niemand mehr ausübt. Es wird kein großes Publikum erreichen und bei diesem normalerweise nur Haß und Unverständnis hervorrufen. Warum, werden die wenigen Leser sehr leicht erklären können, die es dennoch begreifen und für die es geschrieben ist. Sollten sie dann den ununterdrückbaren Wunsch entwickeln, zahlreicher und mächtiger zu werden, so wird ihnen dieses Buch dabei hoffentlich eine merkliche Hilfe sein. Einstweilen freilich muß es ein Objekt des Verschweigens, Versteckens und der Häme bleiben; es ist schon viel gewonnen, wenn es zum Objekt des Verdrehens, Verspottens und der Beckmesserei wird.
In dieser »splendid isolation« ergeben sich für den Verfasser allerdings auch mancherlei Vorteile. Er ist nicht mehr versucht, seinen Stil dem Publikum mundgerecht zu machen, braucht nur die Wahrheit zu sagen und kann es sich erlauben, im Verzicht auf akademisierende Zitierhuberei den praktischen Charakter seines Werkes scharf hervortreten zu lassen und den weniger belesenen Rezensenten Fußangeln zu legen. Der Fußnotenteppich, der an universitätsnahe Werke seit einigen Jahrzehnten immer penetranter angewebt wird, ist darum radikal abgeschnitten und nur solche Anmerkungen hinzugefügt worden, die den Haupttext tatsächlich von der Seite her beleuchten oder aber auf Bücher bzw. Aufsätze hinweisen, die der Verfasser empfiehlt. Ansonsten aber ist dennoch Sorge getragen, daß der Leser mit mäßiger Mühe alles auffinden kann, was ihm zur Überprüfung meiner Ansichten notwendig erscheint.
Schließlich weist dieses Buch eine dritte Eigenart auf, die mindestens selten ist und befremdet, aber zugleich auch einen Vorzug enthält. Während der langen Dauer seiner Niederschrift sind nämlich an einigen Stellen Bezüge zu Zeitereignissen hergestellt worden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses schon »veraltet« wirken. Alle diese Hinweise habe ich unverändert stehenlassen und kann nur den Leser bitten, sie sich auf diesem Hintergrund vorzustellen. Was - wie die Gedanken zur persischen Revolution - heute wie eine Banalität wirkt, war damals eine sehr selten hörbare Minderheitsmeinung; andere Prognosen, wie die zu Nicaragua, haben sich zwar nicht direkt erfüllt, sollten aber in einigen Jahren noch einmal mit dem dann herrschenden Zustand verglichen werden; sie haben ihre Provokativkraft also noch nicht ganz eingebüßt, denn sie widersprechen dem linken Klischee nach wie vor, während über die Parteinahme des Verfassers gerade in rechten Kreisen keinerlei Zweifel aufkommen wird. Da hier die Grundhaltung des Buches anklingt, wird rasch klar, woher dessen langewährende Isolation kommt bzw. kommen wird.
Doch das ist weder zu ändern noch ein Totalschaden. So wenig sich Freuds Vorhersage über die leise Stimme der Vernunft, die sich irgendwann dennoch Gehör verschaffe, unbedingt bewahrheiten muß, so wenig ist das Gegenteil festgeschrieben. Was tatsächlich eintritt, hängt nicht zum wenigsten vom sogenannten subjektiven Faktor ab - also davon, was jene sehr wenigen, die diese Stimme doch vernehmen konnten, hinterher an Klugheit und Tatkraft aufbringen. Um ihr das Wort zu erteilen, sind die folgenden Seiten geschrieben worden.
Fritz Erik Hoevels
»Zugleich ist seine Analyse ein Plädoyer für Marx und Freud sowie eine Kampfansage gegen jegliche Versuche der Verfälschung ihrer Lehren. Und nicht zuletzt versteht sich sein Werk als Aufforderung zur Auseinandersetzung mit dem unverstümmelten wissenschaftlichen Nachlaß von Freud und Marx. Bekennermut statt Verdrängung, Widerspruch statt Anpassung, Achtung statt Ausgrenzung. Denn nur wer etwas zu verbergen hat, strebt zum Dunkel und versucht den Geist zu verwirren.«
Sächsisches Tagblatt
»... steckt ein scharfer, zum Durchlesen 'auf einen Sitz' anregender Stil in diesem Buch. Ein sympathisches Buch für freie Liebe, aber gegen 'Zwangsvögeln'; für den Haß gegenüber Herrschenden und gegen die 'Selbstbestrafung' ihrer Gegner ... ein echtes Standardwerk über die Psychoanalyse.«
BIN-LIT, Wissenschaftlicher Buchanzeiger
Dr. Fritz Erik Hoevels studierte Psychologie, Altphilologie und Literaturwissenschaft in Freiburg i. Br., wo er als niedergelassener Psychoanalytiker tätig war. 1983 trat er durch sein Buch »Marxismus, Psychoanalyse, Politik« hervor, das einiges Aufsehen erregte. Näheres über seine öffentliche Tätigkeit, die ihn bis heute zu einer hochbesetzten Haßfigur der Kirchen, ihrer Trommler und Sympathisanten gemacht hat, findet sich in der historisch aufschlußreichen Dokumentensammlung »30 Jahre Ketzer«. Seine Untersuchung über den Beitrag Wilhelm Reichs zur Psychoanalyse – bevor dieser wohl fähigste Schüler Freuds unter dem Druck seiner vielen Verfolger geistig zusammenbrach – dürfte als Standardwerk zum Thema gelten. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Anwendung der Psychoanalyse (Therapie, Literatur, kollektive Phantasien, besonders der Religion) sowie zu Zeitfragen. Hoevels ist ferner Begründer und Mitherausgeber der Zeitschrift »System ubw – Zeitschrift für klassische Psychoanalyse«. Er ist deutscher Herausgeber der wichtigsten Werke des englischen Althistorikers Hyam Maccoby (der nüchterner und treffender als jeder andere die Entstehung des Christentums enträtselte). Seine zwei Bände »Wie unrecht hatte Marx wirklich?« können in ihrer analytischen Tiefe und Schärfe als neue Maßstäbe setzendes Grundlagenwerk gelten.
Fritz Erik Hoevels:
Marxismus, Psychoanalyse, Politik
311 S.
EUR 10,-
ISBN: 978-3-922774-02-0
(ISBN-10: 3-922774-02-4)
Erschienen 1983