Wilhelm Reichs Beitrag zur Psychoanalyse
1933 wurde Wilhelm Reich, zuvor von Freud mit den verantwortungsvollsten Aufgaben betraut, in Luzern spektakulär und satzungswidrig aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen. Teils, weil die I.Psa.V. eigennützig die Legende pflegt, teils, weil sich der von Hitler von Exil zu Exil gehetzte Reich bald nach diesen Ereignissen von der Psychoanalyse ab- und dubiosen biophysikalischen Forschungen zuwandte, hält sich in vielen Köpfen bis heute die Vorstellung, zwischen Freud und Reich habe es inhaltliche Differenzen gegeben, ja, Reich sei ähnlich wie Jung oder Adler in einem wesentlichen Punkt von der Lehre Freuds abgewichen. – Dieses Buch des Freiburger Psychoanalytikers Fritz Erik Hoevels untersucht erstmals diesen Vorwurf in aller nötigen Ausführlichkeit auf seinen sachlichen Gehalt und würdigt gleichzeitig Reichs umfangreichen Beitrag zur Psychoanalyse selbst, der von seinem wissenschaftlich zweifelhaften Spätwerk verdeckt und verdunkelt wird. Unter den Ablagerungen des »Orgon«-Mülls gewinnt erstmals der ebenso geniale wie »orthodoxe« Freud-Fortsetzer Reich seine wahren Konturen zurück.
Inhalt
- Allgemeine Überlegungen zu Freud, Reich und ihrer Zeit
- Reich, Freud und die I.Psa.V.
- Aktual- und Psychoneurose – Reichs Orgasmustheorie
- Von der ungeplanten Inhaltsdeutung zur geordneten Widerstandsanalyse
- Reichs Beitrag zur speziellen Charakterologie
- Reichs Sublimationstheorie
- Die Reik-Reich-Kontroverse oder: die Psychoanalyse am Scheideweg
- Reichs Widerlegung der Todestriebhypothese
- Die Erkenntnisse Freuds und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen
- Das Rätsel von Hitlers Sieg und seine Lösung durch die Wissenschaft Freuds
- Die zweiphasige Abwehr Reichs
- Reich und der Niedergang der Psychoanalyse
- Literatur
- Personenregister
Wilhelm Reich
Wilhelm Reich, Psychoanalytiker in Wien von 1920 bis 1930, danach in Berlin bis zur Flucht vor Hitler, kurz danach wieder in Wien, 1934 unter spektakulären Umständen Ausschluß aus der I.Psa.V. hauptsächlich wegen KPD-Mitgliedschaft, kurz danach aus der KPD wegen I.Psa.V.-Mitgliedschaft, danach Flucht von Exil zu Exil, zuletzt Niederlassung in Maine (USA). Dort allmählich Entfremdung von der Psychoanalyse zugunsten umstrittener biophysikalischer Forschungen. Schikanen US-amerikanischer Behörden enden schließlich mit seinem Tod im Gefängnis von Lewisburg, Pennsylvania.
Rezensionen: Neues Deutschland | Freiburger Zeitung zum Sonntag
Dr. Fritz Erik Hoevels studierte Psychologie, Altphilologie und Literaturwissenschaft in Freiburg i. Br., wo er als niedergelassener Psychoanalytiker tätig war. 1983 trat er durch sein Buch »Marxismus, Psychoanalyse, Politik« hervor, das einiges Aufsehen erregte. Näheres über seine öffentliche Tätigkeit, die ihn bis heute zu einer hochbesetzten Haßfigur der Kirchen, ihrer Trommler und Sympathisanten gemacht hat, findet sich in der historisch aufschlußreichen Dokumentensammlung »30 Jahre Ketzer«. Seine Untersuchung über den Beitrag Wilhelm Reichs zur Psychoanalyse – bevor dieser wohl fähigste Schüler Freuds unter dem Druck seiner vielen Verfolger geistig zusammenbrach – dürfte als Standardwerk zum Thema gelten. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Anwendung der Psychoanalyse (Therapie, Literatur, kollektive Phantasien, besonders der Religion) sowie zu Zeitfragen. Hoevels ist ferner Begründer und Mitherausgeber der Zeitschrift »System ubw – Zeitschrift für klassische Psychoanalyse«. Er ist deutscher Herausgeber der wichtigsten Werke des englischen Althistorikers Hyam Maccoby (der nüchterner und treffender als jeder andere die Entstehung des Christentums enträtselte). Seine zwei Bände »Wie unrecht hatte Marx wirklich?« können in ihrer analytischen Tiefe und Schärfe als neue Maßstäbe setzendes Grundlagenwerk gelten.
Fritz Erik Hoevels
Wilhelm Reichs Beitrag zur Psychoanalyse
466 S.
EUR 18,-
ISBN: 978-3-89484-813-2
(ISBN-10: 3-89484-813-8)
Erschienen 2001